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Wieder herstellen – oder wiederherstellen – ein kleiner Ausflug in die Psychologie

Uns Menschen verbleibt nicht viel Zeit, den Lauf der tödlichen Veränderung auf diesem Planeten aufzuhalten.. Ich sehe auch nirgendwo brauchbare Ansätze, die dazu geeignet wären, eine so dringend gebrauchte Veränderung zu bewirken jedenfalls nicht auf gesellschaftspolitischer Ebene. Die Religionen haben versagt, ihre Lehren sind von Widersprüchen  durchsetzt. Wie kann eine Religion es zulassen Waffen zu segnen?

„Du sollst nicht töten“ gebietet Gott“, und zementiert diesen Befehl z.B. in den Zehn Geboten, die Moses vom Berg in Tafeln gemeißelt  den aus Ägypten geflüchteten  Menschen brachte, den Kindern Israels. Natürlich den Kindern Israels, denn geschrieben steht das alles im Alten Testament, das ja jüdischen Ursprungs ist.

Doch das sei nur am Rande erwähnt. Ich möchte auf etwas anderes hinaus. Wer Waffen im Namen Gottes segnet, der lässt die Soldaten wissen, das sie berechtigt sind andere umzubringen. Tragisch ist dabei, dass beide Seiten ihre Waffen segnen, beide vereint als Kriegspartei, wenn auch auf verschiedenen Seiten.

Wenn zwei Völker Grenze an Grenze ihres Staatsgebietes leben, so regiert seit Jahrtausenden die Furcht, der Nachbar könnte üble Absichten haben und das eigene Volk überfallen, um sich  fruchtbares Land anzueignen oder Bodenschätze – oder beides. Das Misstrauen zwischen den Völkern ist früh gesät, hat sich im Laufe der Jahrtausende manifestiert.

Je größer und mächtiger ein Staat mit seinem eroberten, selten ererbten Staatsgebiet wurde, je mehr fremde Völker sich darin aufhielten, desto wahrscheinlicher gestaltete sich die Möglichkeit des Zerfalls aus verschiedenen Gründen. Einer der Gründe ist darin verwurzelt, dass sich Unterdrückte auflehnten und einen Bürgerkrieg oder eine Revolution entfachten, die sich von außen gesteuert oder verstärkt  schnell zu einem Flächenbrand entwickelte. Die Geschichte der Menschheit ist voll von solchen Ereignissen. Betrachtet man die Geschichte Ägyptens, den Zerfall oder die Geschichte des Römischen Reiches bis zu seinem Untergang, so wiederholen sich bis heute ähnliche Vorkommnisse, wenn ein Staatsgebiet  eine bestimmte Größe überschritt und zu viele Völker verschiedener Abstammung in sich vereinigte. Mit Mühe und Not und unter großer Willkür ließen sich derartige „Volksgemeinschaften über die Jahre hinweg künstlich und unter Druck aufrecht erhalten.

Das jüngste Kriegsgeschehen zwischen Russland und der Ukraine ist bestes Beispiel für meine These. Das ukrainische Volk hat unter Stalin dermaßen gelitten, dass bis heute eine tiefsitzende Ablehnung den Russen gegenüber im ukrainischen Volk verwurzelt ist.

Den Polen erging es nicht besser: Stalin besetzte polnisches Staatsgebiet und verdrängte die Bevölkerung nach Westen auf deutsches Staatsgebiet. Das haben die Polen den Russen bis heute nicht verziehen. Das Misstrauen gegenüber dem oder den russischen Führer /Führern ist tief im Volksempfinden verankert. Die Russen gelten seit jeher als ein Volk, dass sich imperialistisch verhält.  Nicht nur in ihren düsteren Vorstellungen existiert die Furcht davor, die jetzige politische Führung habe im Sinn, das vormals große Reich der UdssR in seinen alten Grenzen wiederherzustellen.

   Um eine solch geartete Einstelllung zum Nachbarn zu entwickeln, reicht eine machtbesessene Person in Form eines Wladimir Putin völlig aus, um sich die Hilfe der Nato zu sichern, was wiederum bei den Russen das Gefühl der Bedrohung auslöst. Die einzige Lösung dieses sich aufschaukelnde Gefühls der gegenseitigen Bedrohung auszuschalten, wäre in der Herstellung  eines gegenseitigen Vertrauens zu suchen.

Wo und wie Vertrauen zwischen Nachbarn aufbauen, wenn sich noch vor nicht einmal 100 Jahren schreckliche Szenarien der Vertreibung oder wie im Falle der Ukraine bis zum Hungertod der Bevölkerung ausbeuterische Szenarien abgespielt haben? Die Welt weiß heute, was sich unter Josef Stalin im eigenen Land abgespielt hat. Für Stalin galt ein Menschenleben nichts, wenn es der großen Vision Stalins vom  totalen Weltkommunismus im Wege stand.

Die russischen Präsidenten nach Stalin hatten ein schlechtes Erbe angetreten – jedenfalls nach Auffassung der westlichen Industrienationen. Heute wird Putin mit Hitler verglichen, der nachgewiesenermaßen unter Größenwahn litt.  Die schizoide Idee, ein Weltreich zu schaffen,  lässt sich nur mit Unterdrückung anderer Völker bewerkstelligen, die sich das natürlich auf Dauer nicht gefallen lassen.

Wir sehen auch im Nachhinein die Entwicklung der unterdrückten Völker unter Tito. Kaum war der Unterdrücker weg, so fielen die ehemaligen „Volksgenossen“ über einander her, nahmen die Kirchtürme des neuen Feindes ins Kreuzvisier und schossen auf alles was sich bewegte.

Die Abgründe des menschlichen Wesens traten hervor und jahrelang aufgestauter Hass selbst auf ehemalige Nachbarn bahnte sich den Weg ins Zügellose. Selbst Kinder wurden getötet nach der Praemisse: Ein Kleinkind von heute ist ein potentieller Gegner von morgen.

Ich frage noch einmal: Wie lässt sich nach all den Ereignissen ein vertrauensvolles Miteinander, ein gesundes nachbarschaftliches Verhältnis ohne Ängste und Sorgen herstellen? Ein Wiederherstellen ist nicht möglich, weil es in den letzten hundert Jahren  ein solches nie gegeben hat.

Was ist ein Versprechen heutzutage wert? Wie lange hält ein schriftlich verifizierter Vertrag? Was bedeutet heutzutage Ehre? Muss sich ein Staatsmann heutzutage noch abends im Spiegel begegnen ohne rot zu werden? Was ist ein Eid wert, der einer fragwürdigen Religion gegenüber geleistet wird, oder wird ein Ausspruch gesellschaftsfähig, der da lautet: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“

Was ist los mit den Menschen? Wer hat ihnen den Verstand genommen, falls sie jemals einen hatten?

Ach, und was, bitteschön, ist eine Befreiungsaktion? Eine Gegend von Menschen und Gebäuden befreien? Was ist das für eine schreckliche Terminologie?. Das haben ja selbst die alten Konsomolzen besser hingekriegt.

Der alte Kunstmeister ist entsetzt. Ich rufe Wladimir zu (und nur ein alter Kunstmeister darf einen Staatspräsidenten duzen!) „Wladimir, bitte lasse es! Das hast  Du nicht nötig. Das russische Reich ist groß genug! Mach Dein Volk glücklich und wohlhabend. Es wird Dir danken! Und die Nato? Sie sollen keine Atomraketen in Deiner Nachbarschaft aufstellen, das reicht – und das lässt sich kontrollieren! So einfach wäre das zu lösen. Aber weshalb so einfach, wenn es auch umständlich nicht geht?“

Wenn so geschehen, lasst alle wirtschaftlichen Sanktionen wieder fallen. Sie stürzen die Gesellschaften in ein Chaos. Wie kann man nur solch bekloppte Ideen haben? Wir sind zu alt für den Sandkasten voller Atomsprengköpfe!

Nastrowje Towarisch, ich bin der alte Kunstmeister und hatte schon immer die besten Ideen. Doswidanja!

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Von Hartmut Tettweiler Reliwette

Hartmut T. Reliwette, geb. 1943 in Berlin Maler, Bildhauer, Performer, Autor. 70 Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen oder Performances im In- und Ausland realisiert. Zusammenarbeit mit Peter Coryllis, Joseph Beuys, Karl-Heinz Schreiber und anderen zeitgenössischen Kunstschaffenden und Autoren/Schriftstellern. Mehr über Reliwette siehe „Autoren-Info“.