Die Sache mit den Jahresrückblicke(r)n


Es ist mal wieder so weit: das alte Jahr wechselt mit kurzem Knall ins Neujahr, ins frohe, mit guten Vorsätzen gespickte neue Jahr. Doch was sind schon gute Vorsätze, wenn die alten noch nicht aufgebraucht sind?

Auf Dreisat gab es noch rechtzeitig den „Thementag“, der Comedians und Kabarettisten im Licht der Öffentlichkeit glänzen ließ. In diesem Zusammenhang wurden Dieter Nuhr, Urban Priol und Herr Puffpaff mit ihren Jahresrückblicken präsentiert.

Nun hat ja das Individuum – sofern es denken und reflektieren kann – die Ereignisse im laufenden Kalenderjahr zur Kenntnis genommen, eingeschätzt und bewertet, Letzteres zumeist in Bezug zu sich selbst, seltener in Bezug auf die Gesellschaft (was schert es mich, wenn ein Esel in den Vorgarten meines Nachbarn kackt). Diese Einstellung ist hinzunehmen, auch wenn es schmerzt!

Und so verschieden sich das Individuum auf diesem Planeten durch das Leben wurstelt (nehmen Sie es ruhig einmal wörtlich), so bedienen auch die benannten Herren ihr Publikum. Dieter Nuhr als halber Kabarettist, halber Spaßmacher, bedient das „gesetzte“ Publikum nach dem Motto:“Was wird in Deutschland so viel rumgemosert! Es ging uns Deutschen noch nie so gut wie gerade jetzt. Der auf Lehramt getrimmte Spaßmacher tut gut daran, bei seinem Job zu bleiben, anstatt die Schüler mit Halbweisheiten zu füttern! Er moniert u.a., dass die CO- Messwerte in Oldenburg Alarm schlugen (die Richtwerte wurden überzogen), als quasi gar kein Auto fuhr, weil an diesem Tag ein Volkslauf organisiert war. Diese Meldung geisterte unlängst u.a.durch die sozialen Netzwerke. Wetterkunde und Physik waren offensichtlich keine Studienfächer des Kollegen Nuhr, denn sonst hätte er wissen müssen, dass sich Kohlenmonoxydwerte über einen längeren Zeitraum aufbauen (besonders dann, wenn in den Innenstädten kein Wind weht) und dass sich bei entsprechendem Luftdruck eine smogähnliche Blase bildet, welche die gemessenen Werte in die Höhe schnellen lässt. Dass in 1,95 Metern Höhe  gemessen wird, hat seinen Grund, denn wenn man in O,80 Metern Höhe misst, ergeben sich drastische Werte. Weshalb? Weil Kohlenmonoxyd schwerer ist als die Umgebungsluft und sich zuerst über Grund ansammelt. Kinder und Tiere bekommen immer zuerst etwas von den Zivilisationssegen ab. Aber uns geht es doch gut, wobei Nuhr  als Beispiel die Raucher anführt. „Die leben doch auch, wobei sie mit einer Zigarette so viel CO aufnehmen wie es die Höchstwerte in den Innenstädten in einem Jahr zulassen. Ganz Recht, Herr Lehrer, nur sollten Sie Ihrem Publikum sagen, dass die Raucher früher oder später an Krebs erkranken und Probleme mit ihren Herzkranzgefäßen und oder Raucherbeinen bekommen. Nikotin verengt die Gefäße, Herr Lehrer – alles klar?

„Hauptsache ist doch, dass das Publikum grölt, weil es Ihre Beiträge lustig findet – oder? Dafür werden Sie bezahlt! „Mecker nicht an allem herum, Hauptsache lustig!“ (Anmerkung des Verfassers)

Urban Priol bedient das intellektuelle Publikum, greift alles aus den Ereignissen heraus, die das verflossene Jahr bietet. Und das ist eine Menge. Wie kann man das auswendig  von sich geben? Zugegeben, er parodiert auch – mit Stimme und Gestik – gibt Personen des öffentlichen Lebens auch der Häme preis. Es hält sich jedoch oberhalb der Gürtellinie. Priol recherchiert seine Themenwelt gründlich. Wenn er etwas für „bekloppt hält, schlägt er sich fast selbst den Schädel ein, rundet auf der Bühne wie ein Brummkreisel. Das Publikum fragt sich, ob ein Rettungswagen gerufen werden muss oder nicht? Doch dann lacht es wieder und vergisst das Vorhaben. Im Gegensatz zu Nuhr liegt bei Priol der Verdacht nahe, dass er „links“ angesiedelt ist. Da stellt sich dem Unterzeichner die Frage: sind die Intellektuellen mehrheitlich links eingestellt? Die Künstler? Kann man dann noch objektiv sein? Muss man objektiv sein als Satiriker?

Die dritte Variante eines Jahresrückblicks liefert Sebastian Puffpaf, der seinem Namen alle Ehre macht! Das kann doch nur ein Pseudonym sein? Kein Mensch heißt Puffpaf. Oder doch? Er wäre um ein Haar Rechtswissenschaftler geworden, wenn er nicht rechtzeitig die Kurve genommen hätte und in Politik, Soziologie und Staatsrecht den Magister „gemacht“ hätte. Die Betrachter der politischen Szene mögen ihn von der ZDF Heute- Show kennen, die meistens freitags um 22 Uhr 30 beginnt und von Oliver Welke moderiert wird. Wenn Puffpaf von missratenen Kindern spricht, fragt er das Publikum:“Sie haben sicher solche Kinder nicht!“ „Oder doch?“ Es scheint mir wichtig, dass bei einer kabarettistischen Sitzung nicht unbedingt mit dem Finger auf andere gezeigt wird. Es muss ja nicht bei jeder Pointe gepfiffen, geklatscht oder getrampelt werden. Zum Schluss verneigt sich der Protagonist sehr tief vor seinem Publikum und zwar in alle Richtungen. Leider nicht vor mir, denn ich saß zu der Zeit vor dem Fernsehapparat. Puffpaf, passen Sie auf, dass Sie nicht eines Tages ( trotz Kenntnissen in der Soziologie) vornüber kippen!

Das Neue Jahr ist angebrochen, liebe Leuts, lassen Sie es sich gutgehen und dabei nicht lullen (lassen)!

Denn noch sind wir! Dennoch sind wir!

Ihr alter Kunstmeister

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Von Hartmut Tettweiler Reliwette

Hartmut T. Reliwette, geb. 1943 in Berlin Maler, Bildhauer, Performer, Autor. 70 Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen oder Performances im In- und Ausland realisiert. Zusammenarbeit mit Peter Coryllis, Joseph Beuys, Karl-Heinz Schreiber und anderen zeitgenössischen Kunstschaffenden und Autoren/Schriftstellern. Mehr über Reliwette siehe „Autoren-Info“.