Begehrliches

Zeit, mal die Dinge, mit denen die Menschen sich befassen. genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Rede sei von wichtigen Begehrlichkeiten, mit denen wir unser Leben ausschmücken: es handelt sich meinen Beobachtungen nach um Glänziges, das unsere Psyche aufpäppelt. Die Menschen“ peppen“ sich oder Teile von sich auf und nicht selten kommt das dabei heraus:

Mensch steht vor seinem Spiegelbild, das er sich selbst erschaffen…..und wird – von Selbstgefälligkeit umhüllt – zum Schaukelspiel der Affen. Der Psychologe würde den Begriff des Schaukelspieles durch den des Rollenspiels ersetzen.

Im ersteren Fall handelte es sich um Zynismus, bei der Zuweisung des Begriffes Rollenspiel allerdings, bekäme das Gesagte einen wissenschaftlichen Touch, wäre aber nicht weniger lustig.

In einer meiner früheren Betrachtungen der Grauslichkeiten menschlichen Treibens empfahl ich als neuesten Schrei der menschlichen Aufwertung von Geist und Körper, sich Kronkorken unter die Schuhsohlen zu kleben (oder zu nageln), damit beim Gehen metallische Geräusche erzeugt würden, und ein Jeder weiß genau: Da kommt nichts Gutes auf einen zu.

Das sind harmlose Begehrlichkeiten im Gegensatz zu Katastrophalen, so als wenn jemand ein Land überfällt oder sinnlose Revolutionen anstrebt, um sich an Macht zu bereichern.

Die diebische Elster verschafft sich lediglich Glänziges in einer Größenordnung, die auch in ihr Nest passt.

Das ist bei den Menschen oft ganz anders. Da gesellen sich oft Wahnvorstellungen hinzu, z.B. Formen des Größenwahnes.

Da fällt mir ein: Man soll niemals einen SUV unter einem Baum abstellen, auf dem Elstern ihre Nester gebaut haben, und ein Cabriolet mit aufgeklapptem Verdeck schon gar nicht!

Apropos Begehrlichkeiten: Unser Verteidigungsminister rief vergangener Tage sein Volk zur „Wehrtüchtikeit“ auf. Ich empfehle diesen Begriff als Unwort des Jahres. Ich rief sofort bei Kraus Maffei an und bestellte mir einen Leopard 2 Panzer. Der wurde mir nicht geliefert.

Auch das bei einer deutschen Werft in Auftrag gegebene U Boot der neuesten Generation (absolut tauchfähig) wurde nicht ausgeführt.

Statt dessen klingelten zwei Herren vom militärischen Abschirmdienst an meiner Haustür und begehrten Einlass. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite parkte ein weißer Rettungswagen mit eingeschaltetem Blaulicht.

Ich geriet sofort in Erklärungsnot. Der Begriff von der Wehrtüchtigkeit, so stellte es sich bei dem Gespräch mit den beiden Herren heraus, sei von mir völlig überzogen interpretiert worden. Aber ich musste auf meine Deutschkenntnisse beharren. Außerdem sei ich auch überhaupt nicht gemeint gewesen, sondern die Bundeswehr als Wehrkraft. An Zivilisten würde ohnehin kein Kriegsgerät verkauft.

Die Krähen und Elstern hatten sich rechtzeitig verzogen. Sie wussten, dass sie den Panzer niemals in ihre Nester bekämen, außerdem wäre er nicht glänzig genug, so dass sie ihr Interesse daran verloren.

Statt dessen flogen sie mit Gleichgesinnten am Abend um die Wette, kreisten am glutroten Abendrund des Himmels, und ich blickte neidvoll zu ihnen hoch: Welch wunderbare Erfahrung!

Von Hartmut Tettweiler Reliwette

Hartmut T. Reliwette, geb. 1943 in Berlin Maler, Bildhauer, Performer, Autor. 70 Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen oder Performances im In- und Ausland realisiert. Zusammenarbeit mit Peter Coryllis, Joseph Beuys, Karl-Heinz Schreiber und anderen zeitgenössischen Kunstschaffenden und Autoren/Schriftstellern. Mehr über Reliwette siehe „Autoren-Info“.