Schattendasein

Die Zeiten der Geschichte auf diesem Planeten Erde waren von jeher ernst und bedrohlich, für die einen mehr, die anderen weniger. Liegt es in der Natur der Menschen, sich mit Kriegen, Gewalt und Übervorteilung zu begegnen? Sind wir Menschen mehrheitlich dazu verdammt, als ausgemachte Arschlöcher (pardon) das Zeitliche zu fristen oder entdecken wir weitreichende soziale Verbindun­gen zu einander?

Meiner Behauptung, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung nichts taugen, wurde von einer Soziolo­gin mit Studium zum Lehramt (!) widersprochen: „Da kommst du nicht mit aus!“

„Ich hatte die Messlatte nicht ganz so hoch angelegt!“

Philosophen aller Nuancen haben sich die Köpfe darüber zerbrochen, wie der Begriff und die An­wendung der „Vernunft“ im gesellschaftlichen Miteinander auszulegen und anzuwenden seien. Ja, auch die Morallehre spielt da mit hinein.

Siehe Immanuel Kant: „Kritik der reinen Vernunft!“

Das älteste Gesetzbuch der Welt, die Bibel, gibt genau Auskunft darüber, was zu tun bzw. zu un­terlassen sei. Das älteste Strafgesetzbuch Deutschlands finden wir unter Karl dem Großen, kurz als CCC in die Geschichte eingegangen, was übersetzt heißt Constitutio Criminalis Carolinensis (Caro­lina). Auch hier finden wir die Auslegung von Vernunft und Unvernunft.

Doch was ist Vernunft und was hat das mit dem Strafgesetzbuch zu tun?

Jede Gesellschaft hat für sich Leitlinien erfunden, nach denen sich die Mitglieder dieser Gesell­schaft zu richten haben, einerlei ob es sich um eine Machtform der Demokratie handelt, um eine kommunistische, sozialistische Form der Regierungsgewalt, eine Monarchie oder eine Diktatur. Entsprechend wird der Begriff der Vernunft im täglichen Leben angewendet oder eben nicht.

Doch was ist Vernunft? Zunächst sind es Gedanken, auch Überlegungen, die aus dem Erforschen der lebensbedingten Umstände innerhalb einer Gesellschaft hervorgehen, eine Leistung des Ge­hirns. Es kann Zusammenhänge aus erlebten Ereignissen erkennen und Schlussfolgerungen daraus ziehen. Dazu sollte man wissen, dass erlebte Ereignisse nicht unbedingt überlieferte Ereignisse darstellen, dass weitergegebene Informationen Fehler beinhalten können. Selbst erlebte, wahrge­nommene Ereignisse, Zustände, Begebenheiten sind mit weniger Täuschungen behaftet, gewollten oder ungewollten. Hiermit ist eine mögliche Fehleranhaftung gemeint, die falsche Rückschlüsse bei der Bewertung einer solchen Information bewirken.

Vernunft ist aber auch in der Überlegung und Planung gegeben, Schaden von sich und/oder der Gesellschaft abzuwenden. Im letzteren Fall setzt das eine soziale Intelligenz beim Individuum voraus. Der geflügelte Satz: “Alle denken nur an sich – außer mir – ich denk an mich!“ sagt mit bit­terer Ironie, dass es mit der Solidarität (Solidargemeinschaft) in einer Gesellschaft nicht unbedingt zum Besten steht.

Welche Bedeutung hat die Vernunft für eine Solidargemeinschaft? Was ist erforderlich? Die Fähig­keit , vorausschauend Situationen bzw. Ereignisse einzuschätzen und zu berechnen, was eine Be­rechnungsfähigkeit voraussetzt, Zusammenhänge zu erkennen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Das Gehirn muss ständig trainiert werden, damit es nicht ermüdet, denn das Erfinden und Ergründen ist anstrengend. Nur hartnäckige Charaktere finden daran Freude und halten diese Prozesse lange durch, ohne der Ermüdung nachzugeben und das Denken einzustellen.

Die meisten Menschen greifen daher auf gelieferte Informationen zurück und machen diese zu ihren eigenen Erkenntnissen. Sie vertrauen darauf, dass diese Informationen zuverlässig sind.

Das Denkvermögen will erlernt sein, es ersetzt nicht das erlernte Schulwissen, was ja im Grunde ein Auswendiglernen ist, aber zum Überleben im gesellschaftlichen und beruflichen Leben durch­aus ausreicht. Nicht jede Erfindung muss ein zweites Mal erfunden, kann aber durchaus verbessert werden. Deshalb ist Schulwissen, welches später in ein fachspezifisches Wissen mündet, wichtig und von Bedeutung.

In die europäischen kapitalistischen Gesellschaften hat im Laufe der Jahrzehnte der „Schlendrian“ Einzug gehalten. Das „Picken“ hat dem „Finden“ den Vorrang abgelaufen, was zur Folge hat, dass ein Bildungsgefälle mit bedrohlichen Ausmaßen entstanden ist. Ein Bildungsgefälle hat zur Folge, dass ein nicht unerheblicher Teil einer Gesellschaft an den Rand gedrückt wird und ein Schattendasein in einer eigenen Kultur führt, nicht zu verwechseln mit dem von früher definierten Begriff von der Subkultur, sondern eine Kultur innerhalb einer Kultur! Unzufriedenheit, Enttäuschungen – vor al­lem im Zusammenhang mit der Ausgrenzung, durch eigene Beteiligung am Arbeitsleben vergleich­bare Einnahmen zu erzielen, entstanden, führen dazu, sich in Gruppen zusammenzutun, um gegen alles Mögliche zu demonstrieren und Front zu machen gegen den Teil der Gesellschaft, die zu dem „begünstigten“ Teil der Erwerbstätigen gehören.

Hierin ist die orakelte Befürchtung vor einer gespaltenen Gesellschaft zu sehen. Wenn sich ein Teil einer Gesellschaft in einer „unterprivilegierten“ Minderheit wiederfindet, wird sie nicht in der Lage sein, auf „vernünftige“ Argumente einzugehen, denn letztlich geht es z. B. überhaupt nicht mehr um Coronamaßnahmen, sondern um ein Aufbäumen gegen die bessersituierten Menschen in der Gesellschaft, um ein Aufbegehren, das alles von der Regierung Beschlossene ablehnt und infrage stellt.

Aber was ist mit den Menschen, die nicht zur Gruppe der Unterprivilegierten gehören, sondern sich eine durchaus „normale“ Lebensführung leisten können und auch zur Gruppe der Corona-Leugner und Querdenker gehören?

Dazu gehören u. a. Esoteriker, Schamanen und die sogenannten Reichsbürger sowie Angehörige der ultrarechten Szene. Sie haben ein Eigenleben aufgebaut und werden von dem übrigen Teil der Gesellschaft als Sonderlinge und Spinner abgetan. Was in deren Köpfen vor sich geht, ist für den Normalbürger nicht nachvollziehbar und hat zum Teil wohl auch psychische Ursachen.

Der Hintergrund einer Impfkampagne, dass eine Staatsmacht die Bürger durch Impfmaßnahmen schützen will, wird gar nicht mehr in das Protestdenken einfließen, weshalb eine von der Vernunft geleitete konträr geführte Diskussion nicht möglich ist. Die wahre Problematik wird auf Neben­schauplätze verlagert, ein Phänomen, das nicht zum ersten Mal in unserer Gesellschaft auftaucht.

Deshalb ist es wenig sinnvoll, den Chinesen wegen nicht eingehaltener „Menschenrechte“ Vorhal­tungen zu machen, denn die weisen mit dem Finger auf uns und sagen: “ Schaut mal ins eigene Land, bei uns gibt es keine Unterprivilegierten, denn wer die Klappe hält und sich gut ausbilden lässt, kann unter unserer Regierung in Freude und Wohlstand leben.“

Auch eine Auslegung des Begriffes von der Vernunft.

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Von Hartmut Tettweiler Reliwette

Hartmut T. Reliwette, geb. 1943 in Berlin Maler, Bildhauer, Performer, Autor. 70 Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen oder Performances im In- und Ausland realisiert. Zusammenarbeit mit Peter Coryllis, Joseph Beuys, Karl-Heinz Schreiber und anderen zeitgenössischen Kunstschaffenden und Autoren/Schriftstellern. Mehr über Reliwette siehe „Autoren-Info“.